Thomas-Morus-Preis 2023

Prof. Rocco Buttiglione

Zweite Verleihung des Thomas-Morus-Preises

Der Preisträger will Europa mit sich selbst versöhnen

Wien, 23. Juni 2023

Zu einem bemerkenswerten Event kam es im Juni 2023 im berühmten Zisterzienser Stift Heiligenkreuz, Wienerwald, als dem ehemaligen EU-Politiker und Rechtsphilosophen Rocco Buttiglione eine besondere Ehrung zuteilwurde.

Er erhielt den von der christlichen Gemeinschaft des Alten Ordens von St. Georg (AOvStG) gestifteten Thomas-Morus-Preis, eine 7 mm starke Medaille aus massivem Silber mit einem Durchmesser von 9 cm, zusammen mit einem Geldbetrag von € 5.000, welchen der Laureat den AOvStG bat, der wohltätigen Stiftung Francesco Venturino zukommen zu lassen.

Humorvoll, jedoch bestimmt fordert der Preisträger einen neuen Anfang für das vereinte Europa

Passend zu ihrem Ruf, eine gesellschaftspolitisch relevante Denkwerkstatt zu sein, stellt die Schatulle mit der großen Münze, welche vorderseitig den hl. Thomas Morus (Patron der Regierenden und Politiker), rückseitig den Drachen-tötenden hl. Georg (Patron aller Ritter) zeigt, ein Buch dar. Entsprechend dem geistvollen Ambiente des Stiftes mit seiner kath./theol. Hochschule Benedikt XVI. gab es im prall gefüllten Kaisersaal auch anregende Referate, die auf allgemeine Anerkennung stießen.

Vorstellung durch Christoph Böhr, Philosoph und Verleger von Buttigliones jüngstem Werk „Europa – ein neuer Anfang“

Nach Begrüßung durch den Hausherrn, Abt Maximilian Heim OCist, ging Christoph Böhr, Philosoph und Verleger von Buttigliones jüngstem Werk „Europa – ein neuer Anfang“, ausführlich auf die richtungsweisenden Inhalte des Buches ein, nämlich die regionalen Identitäten, ihre unterschiedlichen Kulturen, sowie die dringend notwendige Bereitschaft zum Dialog auf allen Ebenen. Aufgrund der für die Allgemeinheit immer mächtiger werdenden und zweifelhafter agierenden EU-Kommission pries er Buttiglione für dessen Erkenntnis der inneren Fliehkräfte der EU, welche mit einer nötigen Neudefinition ihrer Funktionen in der Weltpolitik und in ihren sozialpolitischen Zielen an einem Wendepunkt steht, will das historisch große Einigungswerk Europas nicht auseinanderbrechen.

Es bedürfe einer Selbstvergewisserung der eigenen Kultur, um mit anderen Kulturen in Dialog zu treten und dafür Verantwortung zu tragen. Es gehe um die Abwägung pragmatischer Optionen im Licht idealer Orientierung. Dem Autor gehe es à la Simone Weil nicht nur um Menschenrechte, sondern auch um Menschenpflichten. Es gehe um kulturelle Verwurzelung, nicht um Globalisierung, eine Ideologie, die kein Zuhause, keine Heimat mehr anerkennen will und so den identitätslosen Menschen steuerbar macht. Unter Verwurzelung seien zu verstehen: Ort, Geburt, Heimat, Familie, Beruf, die Umgebung, das Zuhause. Internationalität fuße immer auf Nationalität.

Der Westen habe auf die Individual-, wie auch auf die Sozialnatur des Individuums kläglich vergessen. Dazu gehöre die Geschichte, wo sich die Freiheit Gottes und die Freiheit des Menschen begegnen. Klug, hellsichtig und scharfsinnig sei das Werk, welches von Politikern zur Hand genommen werden sollte, um die wahren Grenzen ihrer politischen Spielwiesen nicht aus den Augen zu verlieren.

Einführung durch Ordensgouverneur Prinz Gundakar von Liechtenstein

Dann gab Ordensgouverneur Prinz Gundakar von Liechtenstein eine dreiteilige Einführung zur feierlichen Veranstaltung, zuerst zum Stifter des Preises – dem AOvStG, dessen Gründung durch die vier römischen Kaiser aus dem Hause Luxemburg bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht. Die Mitglieder des Ordens seien bestrebt, die Werte des Christlichen Abendlandes zu pflegen und zu bewahren. Dazu gehöre auch, sich gegen die Auswirkungen von Lieblosigkeit und Gleichgültigkeit im privaten wie im öffentlichen Leben zu stellen, sowie die unteilbare und unveräußerliche Würde des Menschen als Ebenbild Gottes, aus der die Menschenrechte fließen.

In England habe sich Heinrich VIII. von einem christlichen König und Politiker zu einem grausamen, menschenverachtenden Diktator verwandelt, dem die Würde der Person nichts mehr galt, weshalb sein oberster Staatsdiener, Lordkanzler Thomas Morus, sich von ihm abwandte und dafür letztlich mit dem Märtyrertod bezahlen musste.

Prinz Gundakar über den, vom Alten Orden vom St. Georg gestifteten Thomas-Morus-Preis

Über die Hintergründe des Thomas-Morus-Preises erwähnte er die zunehmend materialistischen Wertvorstellungen der Menschen, auch im politischen Leben, die zum Verlust jeglicher Achtung der Menschenwürde führe. Aus diesem Grund habe Papst Johannes Paul II. den hl. Thomas Morus im Jahr 2000 zum Patron der Regierenden und Politiker ausgerufen. Das päpstliche „Motu Proprio“ habe den Ritterorden motiviert, diesen Preis zu stiften. Mit mehreren Zitaten aus dem päpstlichen Schreiben verwies er auf neue wirtschaftliche, naturwissenschaftliche und soziale Herausforderungen, welche sich die Verantwortungsträger heute stellen müssen. Es gehe um Entscheidungen im Sinne der Familie, der Jugend und Alten, sowie der Ausgegrenzten. Mit dem Zitat aus dem Motu Proprio, dass Regieren eine Übung der Tugend sei, stellte Liechtenstein die rhetorische Frage, wie der englische Lordkanzler, dem nicht Macht, sondern Gerechtigkeit als oberste Priorität galt, stellvertretend für heutige Minister entscheiden würde.

Abschließend erklärte er den Modus Operandi der Jury, dessen Mitglieder nach sorgfältiger und geheimer Prüfung möglicher Kandidaten über ihre Auswahl entscheiden, was nach Absprache mit dem jeweiligen Laureaten zur Preisverleihung führt.

Laudatio von Primas Hungariae, Erzbischof Péter Kardinal Erdö

Péter Kardinal Erdö

Als besondere Ehre übernahm der bisweilen als papabile geltende Primas Hungariae, Erzbischof Péter Kardinal Erdö, die Laudatio des Preisträgers. Rückgreifend auf dessen Curriculum Vitae unterstrich er u.a. Buttigliones juristische Ausbildung, gekoppelt mit dessen intellektueller Fähigkeit, über die Substanz des Positiven Rechts im Kontrast zum Naturrecht kritisch nachzudenken. Dies habe zu Lehraufträgen an italienischen, deutschen, polnischen und südamerikanischen Hochschulen geführt. Unterstützt haben ihn dabei seine sprachlichen Fähigkeiten, wodurch er sich ein weltweites Netzwerk in Bezug zu Wissenschaft und Kultur aufbauen konnte. Resümierend beeindruckt erwähnte er Buttigliones 2022 erschienenes Werk „Caminos para una teología de pueblo y de la cultura“ (Wege für eine Theologie von Mensch und Kultur). Nicht unerwähnt ließ Kardinal Erdö die politische Karriere des katholischen Denkers im italienischen Senat und unter der Regierung von Silvio Berlusconi, sowie im Europäischen Parlament.

Nachdem er von Italien zum Justizkommissar und Vizepräsidenten der Europäischen Kommission nominiert worden war, so Erdö, stellte er in einem Hearing des Europäischen Parlaments als katholischer Rechtsphilosoph klar, daß er das Naturrecht als richtig anerkenne, aber als überzeugter Europäer die Rechte anders Denkender respektieren wird. Seine Äußerungen bezüglich praktizierter Homosexualität führten schließlich dazu, daß er als Mitglied der Europäischen Kommission abgelehnt wurde. Sich seiner Verantwortung gegenüber den Ansprüchen seiner christlich-katholischen Identität bewusst, verzichtete der designierte EU-Kommissar und EU-Vizepräsident in gewissenhafter Manier auf sein Amt und alle damit verbundenen persönlichen Vorteile. Unter guten Wissenschaftlern und erfolgreichen Politikern, gäbe es nur wenige mit dieser bewussten Geisteshaltung.

 

Heutzutage sei man der illusorischen Meinung, es brauche keine Ideologien mehr und auch kein Recht, um die staatliche Funktion der Gerechtigkeit auszuüben. Die Politik strebe danach, gegensätzliche Ideen und Wünsche, die sich wie das Wetter ändern, in irgendein Gleichgewicht zu bringen. Mit dieser Erkenntnis, so Erdö, stelle sich die Frage, wo Wahrheit und Freiheit bleiben. Rocco Buttiglione rate verantwortungsvollen Politikern, auch gegen den Strom zu schwimmen. Nicht auf Meinungsumfragen zu reagieren, sei Aufgabe des echten Staatsmannes, sondern den Souverän – das Volk mit der Wahrheit zu konfrontieren, um auch effektiv regieren zu können. Die Aufgabe von Christen sei es, leitende Funktionen in der Politik anzustreben. Es gehe aber nicht nur um eine wohlwollende Einstellung, die Welt zu beobachten und zu erkennen, was annehmbar, bequem und tröstlich sei. Vielmehr sei es die Pflicht, Jünger Christi zu sein, mit und aus den biblischen Texten beispielhaft zu agieren, um Befreiung und Heil zu bewirken.

Prinz Liechtenstein liest aus der Verleihungsurkunde und überreicht den Preis an Rocco Buttiglione

Auch in den wandelnden Zeiten sei das Naturrecht erkennbar. Der praktizierende Christ sei eine souveräne Persönlichkeit, sein Bekenntnis zum Christentum ist seine freie Entscheidung, ein actus humanus, wie ihn der hl. Thomas Morus als oberster Staatsdiener bewies.

Hier gibt es die Festrede von Péter Kardinal Erdö zum Nachlesen.

Nach der feierlichen Verleihung des Thomas-Morus-Preises ergriff Rocco Buttiglione als Höhepunkt des Festaktes das Wort, dankte dem Alten Orden vom St. Georg für den Erhalt des Preises und stürzte sich in humorvoller Weise in vielseitige Erkenntnisse aus dem eigenen Leben und philosophische Betrachtungen über die Verantwortung als Regierender und Politiker. Gleich einem Jagdbomber mit vollem Düsenantrieb, aber ohne zielgerichtete Steuerung, inspirierte er sich laufend zu neuen Geschichten und Aussagen, welche letztlich aber doch Buttigliones unerschütterlichen christlichen Glauben und sein Festhalten an der Richtigkeit des geschöpften Naturrechts verdeutlichten.

Hier einige Beispiele:

Auf einer Burg in Cornwall entdeckte er die letzten Worte des katholischen Schlossherrn, der sich trotz Versuchung weigerte, seinen katholischen Glauben abzulegen: „Es ist leichter meinen Kopf von meinem Leib zu trennen, als mein Herz von meinem Herrn.“ In Bezug zu seinem schicksalhaften Ausstieg aus der aktiven EU-Politik, tröstete Buttiglione sich mit: „es ist leichter gewesen, meinen Hintern von einem Sessel zu trennen, als mein Herz von meinem Herrn…“

Bezüglich Thomas Morus, erinnerte er an dessen Werk „Utopia“, welches klarmache, dass es niemals einen perfekten Staat geben kann. Vielmehr brauche das Volk heute kluge Ratgeber, wie er es für König Heinrich VIII. war. Dabei komme es darauf an, immer die Wahrheit zu sagen, um das Vertrauen der Wähler in ihre Regierungen zu sichern. Heutzutage werde die Kluft zwischen Politikern und Volk immer größer. Von der herrschenden Klasse fehle die ehrliche Kommunikation mit dem Volk, was das Ende der demokratischen Politik bedeute. Für die Kultur der überaus komplex gewordenen Welt von heute brauche es viel mehr eingehendes Verständnis.

v.l. Abt Maximilian Heim OCist, Péter Kardinal Erdö, Rocco Buttiglione, Prinz Gundakar von Liechtenstein

Rückblickend erinnerte der überzeugte Anhänger des vereinten Europas an die 1970-er Jahre, als das Abendland ganz entchristlicht, die Kirche in großer Krise und der europäische Integrationsprozess zur ´Eurosklerose´ verkommen war. Dann kam 1978 die Wahl von Papst Johannes Paul II., der seinen polnischen Landsleuten sagte „fürchtet euch nicht“ und „wer Gott fürchtet, der sagt die Wahrheit“. Die Menschen in den postdiktatorischen Ländern fassten den Mut, miteinander im Vertrauen und ehrlich zu sprechen. Dadurch entstand ihr Bewusstsein, eine eigene Nation zu sein, was im Sowjet-Kommunismus nicht möglich war. Dem polnischen Beispiel folgten alle Länder des Ostblocks, Deutschland wurde wieder vereinigt, die Marktwirtschaften blühten auf, die Rechtsstaatlichkeit wurde überall verankert, säkularisierte christliche (nicht religiöse) Werte kamen in die Verfassungen. Aber ohne kulturelle Wurzeln, weshalb der Lissabon-Vertrag gescheitert ist, wie es die Finanzkrise 2008, Covid und der Ukraine-Krieg deutlich gemacht haben.

Zitierte auch Ralph Darendorff, der den europäischen Traum als gescheitert bezeichnete, weil es kein europäisches Volk (Demos) gibt. Buttiglione widersprach ihm aber, weil ´Demos´ kein ethnischer, sondern ein kultureller Begriff ist. Nachdem die Völker mit unterschiedlichen Sprachen entschieden hatten ein ´Demos´ zu werden, schafften sie das Heiligtum einer Göttin im Kapitol, um ihren Staat entlang des Tibers zu beschützen. Ohne gemeinsame religiöse Komponente wird es kein dauerhaft geeintes Europa geben, meinte der katholische Europäer. Für einen, auch diesbezüglich neuen Anfang Europas müsse gebetet werden, so der mit dem Thomas-Morus-Preis ausgezeichnete Rocco Buttiglione.

Zusammenfassung Moderator Martin Lohmann:

Geistreiche, klare, inhaltlich aufbauende Rede, Freiheit wird nicht mehr gefühlt, Europa leidet unter überbordender Bürokratie, Buttiglione hat Perspektiven gezeigt, die Freude und Hoffnung bereiten, Päpste JP2 und B16 waren der Wahrheit verpflichtet, die Wahrheit macht frei, Mensch ist zur Freiheit berufen, Freiheit ist Jesus Christus, ref. Johannes 8, 32

Aus der leeren EU-Hülse wieder ein anderes, wirkliches, blühendes Europa machen und erleben, wird wachsen, blühen und gedeihen.

Zusätzliche Information:

Wer qualifiziert sich für den Thomas-Morus-Preis?

In Zeiten allgemeinen Werteverfalls, geistiger Verarmung und einer Politik, die mit unverantwortlichen Versprechungen und ohne jegliche gewis­sen­hafte mora­lische Ausrichtung, das Sozialgefüge zum Nachteil von Familien, Jugend, Alten, Schwachen und Ausgegrenz­ten verändert, sollen die geehrten Laureaten aus den Disziplinen Politik, Medizin, Wissen­schaft, Forschung, Wirtschaft und Publizistik, den Regierenden und Politikern als glaubwürdige Vorbilder für sittliches Verhalten, Mut in Wort und Handeln, sowie für gerechte, konsequent selbstlose Entscheidungen dienen.

Außerdem ist der Artikel hier in der Online-Ausgabe der Zeitung nachzulesen.

Zur Veranstaltung erschien in der überregionalen katholischen Wochenzeitung “Die Tagespost” der folgende Beitrag, den wir mit freundlicher Genehmigung der Zeitung hier wiedergeben.

Im CATO-Magazin wurde zur Veranstaltung der folgende Beitrag veröffentlicht, den wir mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers hier wiedergeben.