Aufbruch in die digitale Medizin

Und wo bleibt das gewohnte Berufsbild unseres netten Hausarztes?

Und wieder gestaltete sich der mit Drinks begonnene gut besuchte Abend als passender Termin zur Selbstvorstellung, diesmal des als Facharzt für Zahn- Mund- und Kieferheil­kunde tätigen Ordensnovizen DDr.med. Michael Faltl­. Im Zeitalter überaus rascher Hightech-Entwicklungen führte er uns mittels PowerPoint-Präsentation den Aufbruch in die digitale Medizin vor Augen und was diese für Vor- und Nachteile bringt bzw. bringen kann.

In der Medizin, so Faltl, habe eine Effizienzrevolution durch Analytik und Prozessoptimierung stattgefunden. Der Mensch sei gläsern geworden, könne bereits fernbehandelt werden. Die zunehmende Automatisierung, auch durch Roboter mit Künstlicher Intelligenz, bringe Kosteneinsparungen in Millionenhöhe. Weltweit in Realzeit abrufbare ärzteübergreifende Algorithmen ließen „Health-Clounds“ entstehen, welche das übliche Arztbild auslöschen.

Bezüglich der Digitalisierung sei der sprichwörtliche ‚Point of no return‘ längst erreicht, zumal schon die heutige Jugend bis hinunter in die Kindergärten per Smartphone kommuniziert, erzogen, ausgebildet, indoktriniert und subjektiv verdorben wird. Der Wandel des üblichen Gesundheitsbegriffs sei voll im Gange: es gehe primär nicht mehr um Heilung, sondern um die Optimierung von Lebensqualität und Wohlbefinden. Das Smartphone ermögliche die sog. Mobile Health, wobei einen laufend Gesundheits-Apps anspringen, die thematische Health-Clouds eröffnen und zur Telemedizin führen. All das ohne Arztbesuch, sondern im persönli­chen Studium des User-gerechten Angebotes, welches sich alsbald zum 24-Stunden-7-Tage Instant-Arzt/-Experten mit online-Sprechstunde entwickeln wird, so der praktizierende Arzt.

Er warnte allerdings davor, dass die Datenübertragung noch ein Spannungsfeld darstelle, weil sie a) unsicher ist, was den Datenschutz anlangt, und b) deshalb zu erhöhter Diskriminie­rung führen kann, wie sie immer schon praktiziert wurde. Fast ein Drittel der Smartphone-User nutzt sog. Fitness-Tracker, welche die personalisiert-einmaligen Daten des eigenen Körpers bei Belastung speichern, welche als solche von Unbekannt abrufbar und auswertbar sind bzw. ausgewertet werden.

Anwendungsfelder der digitalen Medizin seien die Radiologie, wo Röntgenbil­der nicht mehr auf analogen Filmen, sondern digital aufgenommen werden, oder, in enger Ko­o­peration mit Zahnärzten, das Design (CAD) und die Herstellung (CAM) von Zahnprote­sen. Dasselbe gelte für die perfekte dreidimensionale (3D-) Herstellung anderer Körperteile, wie künstli­che Augen, Hüften, Kniegelenke, Beine. Ein heißes Vokabel sei auch das „Bioprinting“, d.h. das Verfahren, im 3D-Druck lebensfähiges Gewebe herzustellen. Chirurgen könnten Patienten nach Unfällen das zertrümmerte Gesicht rekonstruieren. Damit könnte auch das Altern besiegt werden. Das Anwendungsfeld, so DDr. Michael Faltl, sei riesig und würde immer größer.

Nicht zu übersehen die OP-Robotik, also ein roboter-assistiertes Chirurgiesystem, mit welchem minimalinvasive Operationen durchgeführt werden können (Prostatektomie und Zystekto­mie). Durch die räumlich vergrößerte Bilddarstellung der Organe erfährt der Patient kleinere Schnittwunden und weniger Blutverlust. Der Operateur sitzt dabei bequem mit entspannter Kopf- und Armhaltung, was bei mehrstündigen Eingriffen energiesparend und bequem ist. Zukünftig werden auch immer mehr ausgefeilte Pflegeroboter zum Einsatz kommen, man wird von digitaler Rehabilitation sprechen. Die digitale Lehre und Ausbildung an medizini­schen Fakultäten wird auch Forschung & Entwicklung stark beeinflussen. An der Uni in Göttingen gibt es bereits hochmoderne virtuelle Seziertische, welche die anatomische Lehre erweitern – Lernen mittels Simulation.

DDr. Michael Faltl meinte, die digitalisierte Medizin brauche neue Einstellungen und Zugänge (e-Rezept, e-Impfpass, Ausbildung, Robo-Ethik, Rechtssicherheit, Datenschutz/-missbrauch, etc). Auf jeden Fall, so schloss er, wird die Digitalisierung das Arztbild und das ganze Sozialwesen neu definieren.

Auch nach diesem spannenden Vortrag wurde beim nachfolgenden Dîner intensiv weiter diskutiert.