Epigenetik

Der 20. Sommerlicher Arbeitskonvent des Alten Ordens vom St. Georg fand von 28. bis 29. August 2020 im eleganten Billrothhaus der Gesellschaft der Ärzte in Wien statt. Die beiden hochinteressanten Tage drehten sich intensiv um das Thema Epigenetik.

Ordensgouverneur Prinz Gundakar von und zu Liechtenstein eröffnete die Tagung zum Thema Epigenetik, indem er alle anwesenden St.Georgs-Ritter sowie die Ordensfreunde und Referenten herzlich begrüßte. Es folgte eine kurze Vorstellung des Alten Orden vom St. Georg, indem er auf dessen Daseinsberechtigung und dessen Zielsetzung einging und zudem betonte, dass der Orden eine lange Geschichte habe, man aber besonders stolz sei, zukunftsorientiert zu sein. Er erklärte das Wort Epigenetik, welches sich aus den Worten Genetik – Erbbiologie – und Epigenese – Entwicklung von Lebewesen – zusammensetze und populärwissenschaftlich als Bindeglied von Umwelteinflüssen und Genen gesehen werden kann. Daraus ließe sich möglicherweise die Schlussfolgerung ziehen, dass passiv und aktiv Erlebtes scheinbar generationenübergreifend weitergegeben werden könne.
Dementsprechend meinte der Wissenschaftsautor Dr. Peter Spork: ‚Gesundheit ist kein Zufall – Wie wir unser Erbgut steuern können‘. Vielmehr ist Gesundheit das Resultat der molekularbiologischen Interaktion der Epigenetik mit dem sonst starren menschlichen Genom. Dabei erklärte er, wie gespeicherte Informationen im Umkreis der DNA die jeweiligen Gene zur Produktion von Proteinen aktivieren oder abschalten, und welche positiven und negativen Auswirkungen das auf die Gesundheit haben kann.

Als nächstes sprach die Gynäkologin Univ. Prof. Dr. Doris Maria Gruber als langjähriges Mitglied der Med-Uni Wien über ‚Die Pubertät als epigenetisches Fenster – Prägende und bleibende Auswirkungen auf Psyche und Verhalten‘. Sie ging in ihrer Präsentation sowohl auf die gesunde hormonelle Entwicklung der pubertierenden Mädchen ein als auch auf die Problemfelder, die sich zu diesem sensiblen Zeitraum eröffnen. Die Folgen von aktiv wie passiv Erlebtem für das weitere Gebaren von Jugendlichen – und später Erwachsenen – hat oftmals seinen Ursprung in der Adoleszenz. Sie erklärte auch die umfassenden Funktionen von Hormonen auf die entscheidenden Körperfunktionen und sprach als bewusste Frauenmedizinerin auch kritisch die derzeit populäre Frühsexualisierung an.

Am Nachmittag referierte die an der ETH in Zürich forschende Univ.-Prof. Isabelle Mansuy, PhD über das Thema ‚Vererbung außerhalb der Gene – Wie Lebenserfahrungen von Generation zu Generation weitergegeben werden können‘. Sie zeigte, dass traumatische Erfahrungen im frühen Leben Verhalten und Stoffwechsel über mehrere Generationen hinweg verändern können und dass die Vererbung von Symptomen von epigenetischen Faktoren in der Keimbahn abhängt. Laborversuche offenbaren die epigenetischen Mechanismen, die der Vererbbarkeit von Merkmalen zugrunde liegen, welche durch Lebenserfahrungen und Umwelteinflüsse bei Labortieren induziert werden. Die Grundlagen dieser Befunde bei Mäusen wurden durch Translationsanalysen bei Traumapatienten beim Menschen validiert. Sie stellt die Existenz einer RNA-basierten Vererbung unabhängig von der DNA-Sequenz bei Säugetieren fest, so wie sie bei Pflanzen und Wirbellosen bekannt ist.
Am folgenden Morgen sprach der bekannte Wiener Mediziner und Theologe Univ. Prof. DDr. Johannes Huber zum Thema ‚Die Neuroarchive unseres Lebens – Epigenetik während der Schwangerschaft und epigenetische Prägung in den ersten Lebensjahren‘. Dabei verquickte er durchaus medizinische Statements im Lukas-Evangelium mit rezenten Erkenntnissen der modernen epigenetischen Wissenschaft. Auch musikalische Prägung erfolge schon im Mutterleib. Faszinierend der Hinweis, dass die Kindesmutter durch Zellenaustausch ein Leben lang Zellen ihrer Kinder, sozusagen als körperliches Gedächtnis, in sich trägt und dass sie über diesen Zellentausch mit ihrem Kind teilweise auch Zellen des Kindesvaters empfängt.

Darauf folgte der Bioinformatiker Prof. Dr. Christoph Bock mit einem Vortrag zum ‚Zusammenspiel von Genetik und Epigenetik bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten‘. Er ist am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig und beschäftigt sich mit der Rolle der Epigenetik auf dem Weg zur personalisierten Medizin. Sein Vortrag beschrieb die technologischen Fortschritte, die eine umfassende Analyse des Epigenoms und einen Blick in die Vergangenheit und Zukunft der Zellen unseres Körpers ermöglichen. Daraus ergeben sich Möglichkeiten für zukünftige Therapien, bei denen Zellen so umprogrammiert werden, dass sie als „lebende Medikamente“ dienen können.

Zum Abschluss der Tagung befasste sich der deutsche Pharmazeut, Mediziner, Theologe und kath. Priester Univ. Prof. DDr. Matthias Beck mit dem Thema Die philosophisch-theologische Einordnung der Erkenntnisse der Epigenetik. Als (Bio-) Ethiker zeigte er die grundlegenden Unterschiede, jedoch auch die Komplementarität zwischen Natur- und Geisteswissenschaften auf, analysierte kurz die großen Weltreligionen inkl. der Fernöstlichen sowie die christlichen Philosophen. Kernaussage aber war, die Psychologie, die Genetik und Epigenetik mit christlicher Spiritualität zu vergeistigen, um den Menschen als Ganzes zu erfassen und ihm zu einer inneren Stimmigkeit zu verhelfen, die heilt. „Das Ganze auf´s Göttliche ausrichten…“.

Kanzler Graf Peter zu Stolberg-Stolberg, der die gesamte Tagung samt Diskussionen moderiert hatte, dankte den Vortragenden und dem Publikum und lud ein zum gemeinsamen Dîner im Meinl am Graben, wo es köstliche Kulinarik gab und wieder sehr lustig zuging. Großer Dank sei hier dem dortigen Geschäftsführer, dem jüngst beigetretenen St.Georgs-Ritter Mag. Udo Kaubek ausgesprochen.